Hospizvereine sorgen dafür, dass Menschen da sterben können, wo sie gelebt haben: zuhause, in Kliniken, in Pflegeheimen oder in einem Hospiz. Sterben – wie auch der Weg dorthin – ist ein elementarer Prozess im Leben eines jeden Menschen. Wir müssen alle sterben – wie die Geburt, so gehört auch der Tod zum Leben. Dies betrifft nicht nur uns Menschen – alle Lebewesen, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben, verbringen nur eine endliche Zeit auf diesem Planeten. Im Idealfall sorgt die Fortpflanzung für den Bestand einer Art, jedes einzelne Individuum hat aber nur eine bestimmte mehr oder weniger große Lebensspanne.
Für uns Menschen hat diese Erkenntnis manchmal einen bitteren Beigeschmack. Der Tod ist für viele eine Bedrohung, wir verdrängen die Notwendigkeit des Endes und tabuisieren unsere begrenzte Lebensdauer. Verschiedene Kulturen gehen unterschiedlich mit diesem Phänomen um; in unseren auf Wachstum getrimmten Industriegesellschaften wurde das Ende unseres Daseins lange Zeit verdrängt. Noch in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden Sterbende in Krankenhäusern in ihren letzten Stunden in die Besenkammer abgeschoben.
Die Hospizbewegung, die sich als Reaktion auf diese unhaltbaren Zustände in den 70er Jahren hauptsächlich in Großbritannien entwickelte, stellte den sterbenden Menschen in den Mittelpunkt; ihm sollte die ganze Zuwendung und Fürsorge gelten. Die moderne Hospiz-Idee verbreitete sich mit der Zeit in ganz Europa. Barbara Prystanowski begann vor mehr als einem Jahrzehnt mit der Ausbildung von ehrenamtlichen Hospizhelfern; mittlerweile wurden bereits fünf Kurse zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht.
Im Zentrum des Odenwaldkreises existiert derzeit unter dem Dach der HOSPIZ-Initiative eine stabile Gruppe von Ehrenamtlichen. Wir wollen hier nun einmal in Kürze die Grundlagen und Abläufe dieser engagierten Menschen darstellen.
Die HOSPIZ Initiative Odenwald e.V. ist als Einrichtung mittlerweile in der Region bekannt und etabliert. Betroffene bzw. Angehörige von Betroffenen wenden sich in der Regel telefonisch oder über die Website der Einrichtung an eine der beiden Koordinatorinnen: Barbara Prystanowski und Marianne Kamer-Laval. Diese versuchen anschließend die individuellen Umstände der betreffenden Person und deren Lebensverhältnisse zu eruieren. Meistens macht eine Koordinatorin einen Hausbesuch, um sich direkt vor Ort über die jeweilige Situation zu informieren. Hier muss deutlich gesagt werden, dass Routine in dieser Phase nicht aufkommen kann (und auch nicht sollte) – jeder Mensch erlebt einen ganz individuellen Sterbeprozess, der mit anderen nicht vergleichbar ist. Nachdem sich eine Koordinatorin ein ausführliches Bild von der Situation vor Ort – zuhause, im Krankenhaus, in einer Altenpflegeeinrichtung – gemacht hat, folgt die Auswahl einer Person aus dem Kreis der Ehrenamtlichen. Beide Koordinatorinnen kennen die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Ehrenamtlichen und wissen am besten, wer in die aktuelle Situation passt. Die jeweilige Koordinatorin spricht die Person aus dem Kreis der Ehrenamtlichen an und informiert sie über die Umstände; im Regelfall erfolgt dann der Auftrag zur Begleitung. Begleitung bedeutet in unserem Sinne: eine mehr oder weniger umfassende Betreuung unter emphatischer Hinwendung zur jeweiligen Person. Die Begleitung beginnt mit einer Vorstellung bei dem leidenden Menschen und – in aller Regel – bei seinem familiären Umfeld. Zu den Modalitäten der Begleitung, zu den Methoden der Betreuung, zu den einzubeziehenden weiteren Personen (Familienmitglieder, enge Freunde, Partner usw) – zu all diesen Parametern gibt es wohlweislich keine Standards. So wie jeder Mensch in gewissem Sinne ein eigenes, ganz persönliches Universum darstellt, so stirbt auch jeder Mensch seinen ganz eigenen Tod.
Unsere Ehrenamtlichen sind zunächst bemüht, sich ein Bild von der Situation des Menschen zu machen, dem sie sich zuwenden. Die äußeren Umstände können schon sehr unterschiedlich sein: die Betreuungssituation kann im häuslichen Lebensumfeld des Betroffenen sein, in einer Altenpflegeeinrichtung oder in einem Krankenhaus. Auch die Dauer der Begleitungen kann – anhängig von verschiedenen Faktoren – stark variieren. Unsere Ehrenamtlichen sind stets bemüht, sich auf die Persönlichkeit und die Bedürfnisse der zu betreuenden Person einzustellen. Da in einem Sterbeprozess fast immer auch die Angehörigen und Freunde involviert sind, beziehen die ehrenamtlichen Hospizhelfer soweit es geht das gesamte Umfeld mit ein.
Dennoch kommt es nicht selten zwischen dem Sterbenden und dem jeweiligen Ehrenamtlichen zu einem ganz besonders intensiven Beziehungsverhältnis. Man erfährt viel voneinander, vom Lebenslauf und von den Leidenschaften, von der Bildung und von den Gefühlen der Menschen.
Wenn genug Zeit bleibt, erfahren beide Seiten viel voneinander. Die Ehrenamtlichen können so auf Wünsche und Bedürfnisse der sterbenden Menschen individuell eingehen. Man liest etwas vor, man erzählt sich Erlebnisse, manchmal wird auch gemeinsam gesungen. Auch körperliche Nähe ist unter Umständen wichtig; ein fürsorglicher Kontakt, eine still gehaltene Hand – Berührungen können in einer Extremsituation wichtige Kommunikationsmittel sein.
In den schwierigen Zeiten in diesem Jahr – Stichwort Corona-Lockdown – hieß es, erfindungsreich zu agieren. So wurden etwa Kontakte über Telefon oder über die sozialen Netzwerke aufrechterhalten; in einem besonderen Fall fand die Kommunikation über benachbarte Balkone statt.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Die Ehrenamtlichen der HOSPIZ-Initiative Odenwald begleiten die jeweiligen schwerstkranken oder sterbenden Menschen auf deren letztem Weg. Sie gehen dabei soweit als irgend möglich auf die Bedürfnisse und Wünsche der Individuen ein; dabei werden auch die Angehörigen und das Umfeld einbezogen. Das Ziel ist ein sanftes und würdevolles Sterben.
(Text: Reinhard Huchthausen-Dall’Omo)
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